ASB Magazin: Die Ausgabe zum Mauerfall
Seit den dramatischen Ereignissen in den Botschaften der Bundesre– publik in Prag und Warschau waren die räumlichen und personel– len Kapazitäten der Sozialbehörden dem Ansturm nicht mehr gewachsen. Ob es darum ging, den großen Besucherstrom zu betreuen oder Notunterkünfte und Verpflegung für Tausende von Übersiedlern bereitzustellen, die Unterstützung der Hilfsorganisa– tionen war gefordert. Der Arbeiter-Samariter-Bund hat vielerorts seine Hilfe angeboten und Unterkünfte organisiert, so auch in Bremen-Nord. Die »Schleuse« in Bremen-Nord liegt mitten in einer Siedlung des Stadttei ls Lesum. Hier fin– den Hunderte ehemalige DDR– Bürger eine Notunterkunft. Von morgens 8.00 bis abends 23 .00 Uhr ist sie an sieben Tagen in der Woche besetzt. Verpfle– gung und ein Bett reichen für den Anfa ng. Dann bekommen die meisten entweder einen Platz in einem der »Gästehäuser I oder 111 « des ASB bzw. in den »Wir wußten, was auf uns z u– kommen würde.« Viola P. (26) sagt dies ohne Bitterkeit. Sie hält ihre Tochter Jennifer (5) auf dem Schoß, die nach Schokolade verlangt. Viola P. ist mit ihrem Bruder und dessen Freundin in die Bundesrepublik gekommen. Am 5. November letzten Jah– res sind sie über die ungari– sche Grenze nach Österreich gelangt und in Grafenau auf– genommen worden. Seit Mitte November letzten Jahres sind sie in dem Übergangswohn– heim des ASB in Bremen-Le– sumo »Rüberkommen« wollte sie schon lange. Nach einem Besuch in West-Berlin war sie wochenlang fertig. »Ich konn– te damit nicht mehr klarkom– men, daß man bei uns nichts Räumen der Wi lhelm-Kaisen– Kaserne oder werden in andere Übergangswohnheime in Bre– men verteilt. Dort können sie bl eiben, bis sie eine eigene Wohnung gefunden haben. Das kann bis zu einem Jahr dauern . Das »Gästehaus I« ist aus einem umgebauten Sanitätsmittellager entstanden, so daß nun 60 Per– sonen darin Platz finden. Viel e Familien mit Säuglingen und Kleinkindern treffen hier ein, Schwangere und alte Menschen sind dabei. Sie können nicht oh– ne ein soziale Begleitung sich selbst überlassen werden . Da– her baute die Geschäftsführerin Almuth Stoess mit der Unterstüt– zung ihrer M itarbeiterinnen und Zivildienstleistenden in kurzer Zeit ein Betreuungsangebot auf: Den Kindern wurde eine Spiel– gruppe angeboten, EinzeIbera– tungen, Informationsveranstal– tungen und auch gemeinsame Feste stehen auf dem Pro– gramm . Diplompädagogin Bea– trice Berkenkopf plant darüber hinaus noch eine spezielle Ver– braucherberatung für die Aus– und Übersiedler. Das ASB-Cafe ist ein gemütli– cher Treffpunkt für Neuan– kömmlinge und Bewohner der »Gästehäuser«. Insgesamt wer– den hier 670 Über- und Aus- kriegt, und dann dieser extre- Sie haben sich eingelebt: Viola P (Mitte) mit Tochter und Freundin. 6 siedler betreut, und in einem Monat treffen 700 bis 800 Men– schen in der Notunterku.·~ »Schleuse« ein . - Der ASB Bremen-Nord führt für das Land Bremen die Erstauf– nahme durch. Am 9. November vergangenen Jahres platzten die vorhandenen Übergangswohnheime ausallen Nähten. In dieser Notsituation sprang die Marine ein und stellte die Wilhelm-Kaisen-Kaserne den Übersiedlern zur Verfü– gung. 200 Personen konnten - getrennt nach Familien - die Räume direkt beziehen, auch hier übernahm der ASB die Be– treuung. Sozialpädagogen und Zivil– dienstleistende beraten die DDR-Übersied ler bei Behör– dengängen, beim Ausfü llen des »Laufzettels« und bei SChulf' f me Unterschied. Man wußte ja gar nicht mehr, wofür man ar– beitet. « Neun Kollegen, die mit ihr in der Clubgaststätte gear– beitet hatten, waren schon weg. Oie junge Frau lebte mit ihrer 87 jährigen Großmutter zusammen; ein Wohnantrag wurde von den Behörden ab– gelehnt. Um eine Winterreise in die CSSR zu buchen, hat sie neun Stunden vor dem Reise– büro angestanden . Heute wä- re eigentlich der Abflugtermin gewesen. Doch sie sah schon lange keine Möglichkeit mehr, sich voll zu entfalten, das heißt für sie, einen Beruf zu wählen, der ihr Spaß macht, sich Wün– sche z u erfüllen. »Einen guten Job bekam nur der, der eine Parteizugehörigkeit nachwei– sen konnte. Wir sind froh, daß wir endlich hier sind. «
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