Juni-Ausgabe des ASB Magazins

Geht nicht gibt’s nicht Die westdeutschen ASB-Glie- derungen wurden jetzt über- schwemmt mit Hilfegesuchen ostdeutscher Städte und Gemein- den zur Wiedergründung des ASB. Einladungen wurden ausgespro- chen. Viele Kontakte entstanden auch durch die Wiederbelebung der seit Jahrzehnten bestehenden Städtepartnerschaften zwischen Ost und West. Man traf sich und sprach sofort Gründungsmodali- täten ab. Das war der Beginn der größten Solidaritätsaktion in der Geschichte des ASB. Patenschaften für die neuen ASB-Gliederungen im Osten wurden übernommen. Freundschaften entstanden, die auch heute, nach 30 Jahren, zum Teil noch bestehen. Die Wie- der- und Neugründungen waren aber nur möglich durch Tausende DDR-Bürger, die sich vor Ort en- gagierten: mit Mut, Einsatzfreude, Risikobereitschaft und einem ein- maligen Improvisationstalent, was höchste Anerkennung und Bewun- derung der Westdeutschen hervor- rief. „Geht nicht gibt’s nicht!“ war ihre Devise. Bedenkenträger hatten nichts zu melden. Dienste und für den Rettungs- und Sanitätsdienst waren die Mono- pol- und Massenorganisationen Volkssolidarität und Rotes Kreuz zuständig. Aber dann wurde das heimliche Hoffen doch Wirklich- keit. Die Mauer und damit die Zonengrenze fielen am 9. No- vember 1989, nach 44 Jahren der Trennung. Die Bürgerinnen und Bürger der DDR haben das auf friedliche und unblutige Weise erzwungen. Das am meisten ge- brauchte Wort, um seinen Ge- fühlen Ausdruck zu geben, war „Wahnsinn“. Die Erinnerung war nicht erloschen Die DDR-Bürger machten von ihren neuen Reisemöglichkeiten regen Gebrauch. Alle waren neu- gierig, man wollte wissen, wie die Menschen im Westen lebten und wie sich die Gesellschaftssysteme voneinander unterschieden. Klar war, sie wollten alles wiederhaben, was es vor den beiden Diktaturen ab 1933 und 1945 auch auf ihrem Territorium gegeben hatte. Alles sollte wieder entstehen, nämlich eine pluralistische Gesellschaft mit vielen Verbänden und Organisatio- nen, die miteinander im Wettstreit stehen, um den Hilfebedürftigen die beste Hilfe zukommen zu lassen. Eine freie Wohlfahrtslandschaft, wie es in der westdeutschen Bundes- republik gang und gäbe war, ohne allzu große Regularien, Auflagen, Bevormundungen und Verbote. Die Erinnerung an den früheren ASB war in der DDR nicht erlo- schen. In vielen Regionen gab es Menschen, die sich mit der Ge- schichte ihrer Städte und Gemein- den befassten, Chroniken erstell- ten und sich damit auch mit dem früheren ASB beschäftigten. Es gab 1990 auch noch einige hoch- betagte ehemalige ASB-Mitglieder, die alte Unterlagen aufbewahrten: Fotoalben, Lehrbücher, Prüfungs- zeugnisse und Mitgliedsbücher. Der ASB hatte bis zu seinem Ver- bot 1933 seine Schwerpunkte im damaligen Mittel- und Ostdeutsch- land. Es gab in jedem Dorf, in jeder Stadt eine ASB-Sanitätskolonne. 4. Der ASB 1990 auf dem Erfurter Domplatz. 5. ASB-Großeinsatz während der Kundgebungen zum 1. Mai 1990 vor dem Palast der Republik. 4 5 15 2 / 2020 ASB Magazin

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