ASB-Magazin Ausgabe Juni 2021
gearbeitet, war immer fleißig, und plötzlich werde ich zur Sozialhilfe- empfängerin.“ Sie hat sich er- kundigt: 120,42 Taschengeld und 21,30 Kleidergeld stehen ihr zu – ein Tropfen auf den heißen Stein. Und davon muss sie auch noch die nicht verschreibungspflichtigen Medikamente bezahlen. „Mein Te- lefon habe ich jetzt gekündigt. Die 35 Euro im Monat habe ich dafür einfach nicht übrig“, so Pawelski. Ein angenehmer Lebensabend sehe anders aus, resümiert die en- gagierte Seniorin. Schon in jungen Jahren habe sie gedacht, sie könne die Welt verbessern. Damit hört sie jetzt im Alter nicht auf. „Ich kann gar nicht anders. Ich muss mir die Dinge von der Seele schreiben, dann geht es mir besser.“ Auch das Pflegepersonal müsse künftig besser bezahlt werden, fordert sie. Es ist ein schwerer Job, besonders in Corona-Zeiten. Das sieht Ursula Pawelski jeden Tag. Pflege darf nicht zum Sozialhilferisiko werden So wie Ursula Pawelski geht es vie- len, die im Pflegeheim leben. Die pflegebedingten Eigenanteile der Bewohner*innen haben sich in den letzten Jahren in allen Bundeslän- dern deutlich erhöht. Der Arbeiter- Samariter-Bund hat daher erneut gefordert, dass die Eigenanteile der Heimbewohner*innen begrenzt werden. „Eine bessere Bezahlung von Pflegekräften und eine Die ambulante Pflege muss gestärkt werden. Die Eigenanteile von Heimbewohner*innen müssen begrenzt werden. Stimmen aus der ambulanten und stationären Pflege. ASB engagiert sich für Pflegebedürftige Auf den Heimplatz ist Ursula Pawelski angewiesen. Gerne wäre sie in ihren eigenen vier Wänden wohnen geblieben. Doch aus ge- sundheitlichen Gründen ist sie auf eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung angewiesen. Sie leidet an COPD, einer Lungenkrankheit mit akuter Atemnot, das Sauerstoffgerät ist immer an ihrer Seite. „Ich bin froh darüber, den Heim- platz gefunden zu haben. Hier ist immer jemand da. Das ist ein beruhigendes Gefühl. Es gibt mir Sicherheit“, betont die Seniorin. Zum Leben bleibt kaum etwas übrig Ursula Pawelski ist gelernte Indus- triekauffrau, hat zu DDR-Zeiten in der Materialversorgung im Ein- kauf von Großbetrieben gearbei- tet. „Das war hartes Brot, aber ich habe gut verdient“, erinnert sie sich. Umso schmerzlicher, jetzt Anträge an das Sozialamt schrei- ben zu müssen: „Ich habe immer U rsula Pawelski sitzt vor ihrem dicken Ordner aus Zeitungsartikeln und Briefen, die sie an Politiker*innen geschrie- ben hat. Aufmerksam blättert sie die Seiten um. Allein drei Briefe habe sie schon an Bundesge- sundheitsminister Jens Spahn geschrieben, viele weitere an Vertreter*innen anderer Parteien, um auf die Situation der Älteren in Pflegeeinrichtungen aufmerk- sam zu machen. Doch verändert hat sich bisher nichts. Seit 2016 lebt die 85-Jährige im ASB-Seniorenpflegezentrum Rosenblick in Bernburg/Sach- sen-Anhalt. Gemeinsam mit etwa 70 anderen Bewohner*innen ver- bringt sie hier ihren Lebensabend. Doch der sieht derzeit alles andere als rosig aus. Sorgen bereiten ihr vor allem die steigenden Eigenan- teile der Pflegekosten. Mit 1.100 Euro Eigenkosten für den Heimplatz sei sie gestartet, mittlerweile müsse sie monatlich 1.700 Euro aufbringen, so die rüs- tige Dame. Bei einer Rente von 1.755 Euro bleibe da zum Leben nicht mehr viel übrig. „Ich kann keine Einladungen annehmen, weil mir das Geld für einen Blu- menstrauß als Dankeschön fehlt. Ich kann meine Kosmetik nicht mehr bezahlen und auch keine Schuhe kaufen.“ In ihrer Stimme klingen Enttäuschung und Ver- ärgerung mit. „Ich habe immer gearbeitet, war immer fleißig, und plötzlich werde ich zur Sozialhil- feempfängerin.“ - URSULA PAWELSKI - 5 2 / 2021 ASB Magazin
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