Dank der Spenden und der Hilfsbereitschaft zahlreicher Unterstützer:innen können wir solidarisch und effizient weiterhelfen – hier und jetzt sowie über Grenzen hinweg“, blickt Edith Wallmeier, Geschäftsführerin Einsatzdienste und Bildung beim ASB-Bundesverband, in die Zukunft. Die Hilfe geht weiter Mit Fortdauer des unerbittlichen Krieges wächst in der Ukraine der Bedarf an Unterstützung, auch bei der medizinischen Versorgung. Der ASB Munsterland schickte kürzlich einen Rettungswagen mit medizinischen Hilfsgutern ins Kriegsgebiet nahe Kiew, wo das Fahrzeug nun bei der Rettung von N. KOBERSTEIN & A. VALENTINO Herr Kruk, wie sind Sie zu dieser Aufgabe gekommen? Als ich davon hörte, dass die ersten Kriegsvertriebenen aus meiner alten Heimat in der Stadt angekommen sind, habe ich nicht lange überlegt und mich bei der Stadt Bergisch Gladbach gemeldet. Dann ging alles ganz schnell und ich wurde gleich der Unterkunft an der Saaler Mühle zugewiesen. Seitdem dolmetsche ich hier jeden Tag vormittags vor meiner eigentlichen Arbeit als Klavierlehrer. Was treibt Sie an, dieses Ehrenamt auszuüben? Ich bin gebürtiger Ukrainer und stamme aus der Stadt Cherson. Dort wird gerade heftig gekämpft. Darum stecke ich emotional tief drin in dem Thema, weil es meine Heimat betrifft und ich um viele Menschen bange, die noch dort sind. Ich spreche selbst Russisch und Ukrainisch, sodass ich mich hier von Anfang an gut in das ASB-Team einbringen konnte. Wie erleben Sie die Menschen, die hier ankommen? Alle hier sind ganz normale Leute, die nicht wissen, was sie falsch gemacht haben, dass das Schicksal sie so quält. Bis vor gut einem Monat sind sie zur Schule gegangen, zur Universität, haben gute Jobs gehabt, Häuser, Autos, Gärten, Urlaub, so wie die Menschen hier auch. Und jetzt hängen sie hier in Containern und wissen nicht, wie es weitergeht. Sehen Sie, ich bin Musikpädagoge, kein Pfarrer oder Psychologe. Diese schwerst traumatisierten Menschen erzählen mir trotzdem alles, was sie Schreckliches erlebt haben – ohne Zögern und ohne Scham. Ich hätte schon nach wenigen Tagen ein Buch schreiben können. Was macht das mit Ihnen? Ich habe ein paar Tage gebraucht, um mir eine innere Wand aufzubauen, Distanz zu schaffen. Anders geht es nicht. Ich wache jede Nacht auf und kann nicht mehr einschlafen, weil mir die Geschichten der Leute nicht aus dem Kopf gehen. Neulich kam eine Frau zu mir, die mitten aus ihrer Chemotherapie gerissen wurde. Sie sitzt mir mit ihrer Krebserkrankung gegenüber und fragt: „Paul, was wird nur aus mir? Ich kann mit meinem schwachen Immunsystem nicht in einer Massenunterkunft bleiben.“ In solchen Momenten fühlt man eine unbeschreibliche Ohnmacht. Und dann war da noch die Dame um die 50, eine wohlsituierte Lehrerin aus Charkiw. Sie sprach mich an: „Paul, ich brauche deine Hilfe. Ich musste schnell wegrennen, als die Sirene losging und mein Haus getroffen wurde. Ich konnte nur meine Winterstiefel mitnehmen, die ich hier trage. Kannst du bitte fragen, ob es für mich irgendwo leichtere Schuhe gibt?“ Das Bild dieser Winterstiefel geht mir nicht aus dem Kopf. Das ist für mich persönlich ein Symbol dieses Krieges, dass er Millionen Menschen auch zu Bittstellern in einem fremden Land macht. Kann man mit Musik etwas gegen diesen Wahnsinn unternehmen? Oh ja, das kann man. Ich habe als Pianist bereits ein Benefizkonzert für die Menschen in der Ukraine gegeben und plane, noch weitere zu organisieren. Die Erlöse und Spenden gehen komplett an die Vertriebenen, damit sie hier Fuß fassen und mit dem Nötigsten versorgt werden können. Verletzten zum Einsatz kommt. Die Ausrustung reicht von Fahrtragen uber Notfallrucksacke bis hin zu lebensrettendem Equipment wie Beatmungsgeraten und Defibrillatoren. Ein weiterer Hilfsgütertransport ist am 27. April von Köln über die Slowakei in die Ukraine gestartet. „Unsere Hilfe geht weiter, solange uns die Menschen brauchen. INTERVIEW: MARCO WEHR Paul Kruk ist Dolmetscher und Seelentröster zugleich. 9 2 / 2022 ASB Magazin
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