ASB-Magazin Ausgabe Dezember 2022

Ich hatte damals einen Termin bei einem kleinen Verein in Berlin, der sich für pflegende Kinder und Jugendliche einsetzt. Nach dem Besuch habe ich mein Team gebeten, mir Zahlen und Informationen über Hilfsangebote für diese Gruppe zusammenzustellen. Dabei habe ich festgestellt, dass es kaum Hilfen gab und niemand diese Gruppe auf dem Schirm hatte. Wir haben dann ein Netzwerk zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen mit Pflegeverantwortung ins Leben gerufen. Mit einer Informationskampagne haben wir in der Öffentlichkeit überhaupt erst das Bewusstsein dafür geschaffen, dass 230.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland regelmäßig Angehörige versorgen. Für diese Belastung wollte ich auch Lehrerinnen und Lehrer oder Sozialdienste sensibilisieren. Wie bringen Sie Ihre Tätigkeit als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und Ihre Aufgaben als ASB-Präsidentin „unter einen Hut“? Klar, mein Terminkalender als Europaparlamentarierin ist gut gefüllt. Aber ich werde alles Machbare tun, um den ASB gut zu repräsentieren. amtlichen geleistet wird. Auch das Leitbild des ASB hat mich begeistert. Für mich persönlich ist die historische Nähe zur Arbeiterbewegung natürlich auch ein verbindender Punkt. In Ihrer Vorstellungsrede haben Sie den aktuellen Verbandsentwicklungsprozess des ASB positiv hervorgehoben. Was spricht Sie dabei an? Tatsächlich hat mich überrascht, wie weit vorne der ASB bei vielen Themen dabei ist. Allein der Prozess, sich ein Leitbild zu geben und Veränderungen systematisch auf ihre Wirkungen hin zu überprüfen, ist modern und wird im ASB mit großem Elan betrieben. Themen wie Diversität und Nachhaltigkeit gehören auf die Tagesordnung jedes Verbandes, vor allem wenn er im sozialen Bereich tätig ist. Wer Menschen für sich begeistern will, im Haupt- wie im Ehrenamt, muss die Zeichen der Zeit erkennen. Ihre Aufgabe ist, den Verband gegenüber der bundesdeutschen Politik und auf internationalem Parkett zu repräsentieren. Können Sie uns schon einen Einblick in Ihre Pläne geben? Es ist eine unglaubliche Ehre, diese traditionsreiche Organisation zu repräsentieren, und ich freue mich darauf, meinen Teil dazu beizutragen. Ich bringe gerne meine Fähigkeiten und Kenntnisse für die Arbeit des ASB ein. Als ehemalige Bundestagsabgeordnete, Ministerin und jetzt Vizepräsidentin des Europaparlaments konnte ich ein durchaus nützliches Netzwerk knüpfen und denke, dass ich für die verschiedenen Belange schnell passende Gesprächspartnerinnen und -partner finden werde. Welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen? Gibt es etwas, für das Sie sich konkret einsetzen möchten? Ich habe die ganze Breite der ASBThemen im Blick. Aus meinen ersten Gesprächen und Begegnungen mit den Samariterinnen und Samaritern habe ich mitgenommen, dass der zunehmende Fachkräftemangel in sozialen Berufen viele Einrichtungen vor enorme Probleme stellt. Das gilt ganz besonders für die Pflege, aber auch für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Ich sehe es also als meine Aufgabe, als Präsidentin dieses Verbandes klar und deutlich den Finger in die Wunde zu legen und besonders gegenüber einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung dafür zu sorgen, diese Entwicklung umzudrehen. Da geht es um angemessene Bezahlung, aber auch andere Entlastungen im Job. In meinem ersten Monat konnte ich schon mit der Präsidentin der Bundesanstalt für Arbeit, Andrea Nahles, in Nürnberg über Strategien zur Milderung des Fachkräftemangels sprechen. Als Familienministerin haben Sie sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass pflegende Kinder mehr Unterstützung bekommen. Wie kam es dazu? INTERVIEW: DOROTHEE WINDEN Zur Person Katarina Barley ist promovierte Juristin und Vizepräsidentin des Europaparlaments. Bevor sie in die Politik wechselte, hat sie als Rechtsanwältin, Richterin und Referentin am Bundesverfassungsgericht gearbeitet. 2013 ging die SPDPolitikerin in die Bundespolitik. Sie war von 2017 bis 2018 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Anschließend war sie bis Juni 2019 Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz. Seit der Europawahl 2019 ist sie Mitglied des Europaparlaments und wurde im Juli 2019 zur Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments gewählt. Dort befasst sich die gebürtige Kölnerin mit den Themen Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte. Auch privat fühlt sich Barley als Europäerin. Ihr Vater ist Brite, ihre Mutter Deutsche. Verheiratet ist sie mit dem niederländischen Basketball-Trainer Marco van den Berg. Sie lebt in der Nähe von Trier. 11 4 / 2022 ASB Magazin

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