ASB Magazin 2018-03

bei den Angehörigen. Wie ar- gumentieren Sie, um von einer Organspende zu überzeugen? Den Angehörigen fällt die Ent- scheidung über eine Organspende häufig sehr schwer: Ihre erste Sor- ge gilt dem Wohl ihres Partners, Freundes oder Verwandten. In dieser Situation auf die Not eines anderen hinzuweisen, ist nicht leicht. Wenn wir die Angehörigen über den Hirntod informieren, machen wir ihnen deutlich, dass jede weitere Therapie nicht mehr zu einem Überleben führen wür- de. Anschließend vermitteln wir, dass eine Organspende vier oder fünf sehr kranken Menschen hel- fen kann, darunter auch Kindern. Wir versuchen, den Angehörigen klarzumachen, dass eine Zustim- mung zur Organspende die einzige Möglichkeit ist, andere Menschen zu retten. In der Politik gibt es Überlegun- gen, die Regelungen für eine Organspende so zu ändern, dass grundsätzlich jeder imTo- desfall automatisch Organspen- der sein soll – es sei denn, man widerspricht dem. Würde das Ihrer Meinung nach dazu beitra- gen, die Zahl der Spenderorgane zu erhöhen? Es würde helfen. Erfahrungen aus vielen anderen europäischen Län- dern, in denen die Widerspruchs- lösung gilt, zeigen, dass zehn bis 20 Prozent mehr Organe gespen- det werden. Tausende Menschen warten auf ein Spenderorgan und kämpfen um ihr Leben. In die- ser Zeit hängen die Patienten an der Dialyse oder versuchen, mit einer ganz schlechten Leber- oder Lungenfunktion zu überleben. Die Lebensqualität ist dabei bei unter null. Viele von ihnen warten ein Jahr auf ein Spenderorgan. Das überleben nicht alle. Um für diese Patienten tatsächlich mehr Organe zu haben, sollte man eine Ände- rung in der gesetzlichen Regelung vornehmen. Die Tatsache, dass nur eine geringe Zahl der Bürger einen Organspendeausweis hat und somit die Mehrzahl der Entschei- dungen bei den Angehörigen liegt, könnte durch die Widerspruchslö- sung aufgehoben werden. INTERVIEW: HILKE VOLLMER geboren am 9. März 1953 in Lem- go, ist ein deutscher Transplanta- tions-Mediziner. Seit 1996 ist er Direktor der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie (HTTG) der Medi- zinischen Hochschule Hannover (MHH). Das Studium der Human- medizin hat er wie auch seine kom- plette chirurgi- sche Ausbildung an der MHH absolviert. 1995 erhielt Professor Haverich den Leibniz-Förderpreis für deut- sche Wissenschaftler von der Deutschen Forschungsgesellschaft. Mit diesem Preis gründete er 1996 das Grundlagenforschungslabor der HTTG-Klinik. Dort wurde für viele wissenschaftliche Erfolge der Grundstein gelegt, wie bei- spielsweise für eine biologische Herzklappe, die mit dem Patienten wächst. Professor Haverich ist als leiden- schaftlicher Arzt und Chirurg unter anderem Berater der Bundesre- gierung in medizinischen Fragen. Zahlreiche international bahnbre- chende Entwicklungen im Gebiet der Herz-, Thorax-, Transplantati- ons- und Gefäßchirurgie sind un- mittelbar auf seinen unermüdlichen Einsatz in Klinik und Forschung zurückzuführen. Professor Dr. Dr. h. c. Axel Haverich, Gesetzliche Regelungen Zurzeit gilt in Deutschland die Entscheidungslösung . Eine Organentnahme ist nur zulässig, wenn eine Zustimmung vorliegt. Alle Bürger sollen sich auf der Grundlage fundierter Informatio- nen mit der eigenen Spenden- bereitschaft auseinandersetzen. In Deutschland erhalten Kran- kenversicherte regelmäßig Infor- mationsmaterialien und einen Organspendeausweis von den Krankenkassen und Versiche- rungsunternehmen. Aktuell wird über die Einfüh- rung einer Widerspruchs- lösung diskutiert. Demnach müsste die verstorbene Person einer Organspende zu Lebzei- ten ausdrücklich widersprochen haben, was zum Beispiel in einem Widerspruchsregister vermerkt sein muss. Andern- falls könnten Organe zur Trans- plantation entnommen werden. 11 3 / 2018 ASB Magazin

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