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MITGLIEDER
Leseraktion zum Jahr
der Integration beim ASB
Zum Jahr der Integration des ASB wollten wir von Ihnen erfahren, wie Sie die Ankunft und Einbürgerung nach
Deutschland geflüchteter Menschen erleben, ob und wie Sie sich selbst engagieren und was Ihnen dieses Enga-
gement bedeutet. Hier erzählt uns Elvira Weschta aus Bayern ihre Geschichte:
Ich bin 56 Jahre alt, arbeite haupt-
beruflich seit zwölf Jahren beim
ASB in Kronach und habe 2005 mei-
ne Ausbildung zur Pflegehelferin
gemacht. Heute bin ich in den Be-
reichen ambulante Pflege, Sterbebe-
gleitung, Demenzbetreuung, Haus-
notruf, Fahrdienst sowie in unseren
beiden Seniorenheimen tätig.
Nebenbei führe ich mit meinem Le-
bensgefährten einen Landgasthof in
Kronach-Fischbach. Im August 2015
haben wir über das Landratsamt
Kronach 15 unbegleitete minderjäh-
rige Flüchtlinge aufgenommen. Sie
kommen aus Ghana, Gambia, Mali
Nigeria und Eritrea. Wir hatten mit
den Jugendlichen von Anfang an
nicht das kleinste Problem.
Die Kinder waren teilweise bis zu
fünf Jahre lang auf der Flucht, ich
kenne jedes ihrer Schicksale. Vie-
le von ihnen haben keine Eltern
mehr, sie haben in ihrer Heimat kei-
ne Schule besucht – und in ihrem
Land Gewalt, Folter und politische
Verfolgung erlebt.
Mein Lebensgefährte und ich
sind für diese Kinder wie Mama
und Papa. Mit Vollendung des 18.
Lebensjahres müssen sie ausziehen
– in eine dezentrale Unterkunft.
Kindern, die in Deutschland wohl-
behütet aufgewachsen sind, würde
kein Elternteil so etwas antun.
Und wenn ich dann vom Landrats
amt oder anderer Stelle höre: „Sie
haben es bis hierher geschafft, dann
schaffen sie es auch weiter“, dann
könnte ich platzen. Zwei der Kinder
leiden an posttraumatischen Stö-
rungen und befinden sich in psy-
chologischer Behandlung. Für die
anderen haben wir in Fischbach
eine Wohnung angemietet, die mit
Zustimmung des Landratsamtes ge-
nehmigt wurde. So haben wir alle
Kinder wieder in Fischbach – ihrer
Heimat, wie sie sagen.
Ob Arztbesuche, Einkauf, Amtster-
mine, seelische Betreuung oder Asyl-
antrag – um all diese Dinge kümme-
re ich mich sehr gerne – weil ich je-
den Tag die Dankbarkeit der Kinder
zurückbekomme.
Die Jungs spielen in Fischbach Fuß-
ball, sind im Gemeindeleben, bei
der Feuerwehr und der Kirche gut
integriert. Sie besuchen regelmäßig
in Kronach die Berufsschule und
Deutschkurse bei der VHS. Und sie
kennen das deutsche Grundgesetz.
Ich kann mich auf diese Kinder
immer verlassen. Sie wollen nicht
mehr hier weg.
Ich weiß, dass die jungen Menschen
irgendwann ihren eigenen Weg ge-
hen müssen. Für diesen Weg möch-
te ich ihnen etwas mitgeben. Und
ich möchte, dass sie Deutschland
als ehrliches und gerechtes Land in
Erinnerung behalten.
Wer seine Heimat verliert,
findet bei uns eine neue.
Das Jahr der Integration beim ASB.
ASB MAGAZIN
2/16
Elvira Weschta im Kreis „ihrer“ Flüchtlinge.
Foto: privat
„Ich kenne jedes ihrer Schicksale.“