

TAUSEND WÜNSCHE WURDEN WAHR
Menschen in ihrer letzten Lebensphase Glück und Freude zu schenken – das ist die Mission
der ASB-Wünschewagen. Seit 2014 erfüllt das rein ehrenamtlich getragene und ausschließlich
aus Spenden finanzierte Projekt Menschen in ihrer letzten Lebensphase einen besonderen
Herzenswunsch und fährt sie gemeinsam mit ihren Familien und Freunden noch einmal an
ihren Lieblingsort. Bis Ende 2018 konnten die rund 1.300 freiwilligen Wunscherfüller bereits
1.000 Wünsche wahr werden lassen.
Das Schicksal für kurze Zeit vergessen
Ankunft in St. Peter-Ording. Als Karl-Heinz Harnack
die Schiebetür des Wünschewagens öffnet, ist Silke
Möller sofort in Bewegung. Der Strandrollstuhl ist da-
bei, aber Silke Möller will lieber laufen. Sie mobilisiert
alle Reserven und steuert vom Parkplatz ohne zu zögern
auf das Meer zu. „Am liebsten würde ich jetzt rennen,
aber das geht leider nicht mehr“, sagt sie. Es ist heiß, der
Strand gut besucht. Die Gäste schauen interessiert, als
sich der kleine Tross über den Strand bewegt. Silke Möl-
ler bemerkt die neugierigen Blicke nicht, ihr Blick gilt
nur dem Meer. Und als sie endlich da ist, kommt sie aus
dem Lächeln nicht mehr heraus.
Silke Möller jauchzt, zieht ihre Schuhe aus und steht
für ein paar Minuten einfach nur im Wasser, den Blick
in die Ferne gerichtet. Der Krebs hat sie verändert. In-
nerlich wie äußerlich. „Dann stehst du da. Ohne Haare.
Siehst aus wie ein Hund. Und fühlst dich machtlos.“ An
diesem Tag, in diesen Stunden vergisst sie ihr Schick-
sal. Ist ganz im Hier und Jetzt. „Diese Momente, die sind
unser Lohn“, sagt André Bredemeier. Es ist seine vierte
Wunschfahrt. Jetzt schaut er auf die Uhr, im nahe gele-
genen Restaurant ist ein Tisch reserviert.
Silke Möller fühlt sich so gut, wie lange nicht mehr. So-
gar feste Nahrung kann sie zu sich nehmen. Rührei mit
frischen Nordseekrabben und Bratkartoffeln. Die letzte
Chemotherapie hat sie so sehr angegriffen, dass sie auf
flüssige Spezialnahrung angewiesen ist.
So auch bei Silke Möller. Die 62-Jährige ist schwerst-
krank, die Ärzte geben ihr nur noch wenig Zeit. Wie viel
genau, kann niemand sagen. Sicher ist nur, es wird ihr
letzter Sommer sein. Mit der Diagnose hat sie sich so
gut es eben geht arrangiert, aber eine große Sehnsucht
ist geblieben: Sie möchte noch einmal das Meer sehen,
die salzige Luft riechen, die Meeresbrise auf der Haut
spüren. Für die schwerstkranke Frau allein schien dieser
Wunsch unerfüllbar.
Ein Anruf genügte
Ihre Pflegerin wandte sich deshalb an den Wünsche-
wagen. Ein Telefonanruf genügte, und schon lief die
„Wunschmaschine“ beim Team in Schleswig-Holstein an.
Nur wenige Tage später kann die Reise starten: Um
9 Uhr steht der Wünschewagen vor der Wohnung von
Silke Möller. An Bord sind Karl-Heinz Harnack und An-
dré Bredemeier, zwei ehrenamtliche Wunscherfüller, die
die Fahrt begleiten werden.
Auf den Arm ihrer Pflegerin gestützt, kommt Silke Möl-
ler an diesem Mittwochmorgen aus dem Haus. Sie ist auf-
geregt, kann es kaum glauben, dass es wirklich losgeht.
Sie entscheidet sich, die Fahrt sitzend zu verbringen.
Alles verläuft problemlos, auch das Wetter spielt mit,
und je näher das Meer rückt, desto sonniger wird es. Die
gelernte Steuerfachangestellte war mit ihrer Familie frü-
her oft am Meer und verbindet damit viele Erinnerungen
an glückliche Momente.
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ASB-Jahrbuch 2018