

4
ASB MAGAZIN
3/16
Die meisten Menschen haben einen Sehnsuchtsort – einen Platz, an dem sie besondere Momente erlebt haben, mit
dem sie schöne Erinnerungen verbinden und an den sie immer wieder gerne zurückkehren. Für Rosie und Joachim
Triebe ist Rerik dieser Ort, ein ruhiges Dörfchen an der deutschen Ostseeküste. Mit dem Wünschewagen des ASB
kehren sie ein letztes Mal hierher zurück, um sich zu verabschieden.
Rosie Triebe ist schwer krank. Wie
lange sie noch leben wird, weiß nie-
mand. Dass die Zeit sehr begrenzt ist,
haben ihr aber die Ärzte bestätigt. Ein
Grund zum Verzweifeln? Nicht für
die 77-Jährige: „Das macht doch das
Leben aus, dass ich auch noch Erle-
benswertes habe, auch wenn es dem
Ende entgegengeht. Ich bin doch
nicht da, um mich hängen zu lassen
und zu warten, dass es endlich vorbei
ist“, erklärt die resolute Potsdamerin.
In einer Zeitschrift hatte Triebe vom
Angebot des ASB Brandenburg gele-
sen, schwerstkranke Menschen mit
einem speziell umgebauten Kran-
kenwagen, dem „Wünschewagen“,
an einen Ort ihrer Wahl zu begleiten.
Kurz entschlossen rief die Krebspati-
entin beim ASB-Landesverband an
und erzählte von ihrem Wunsch,
noch einmal das alte Urlaubsdomizil
Rerik an der Ostsee zu besuchen. We-
nige Tage später kam Marco Roscher
zu einem Gespräch vorbei. Als Koor-
dinator des Wünschewagens in Bran-
denburg ist er es, der die Fahrten or-
ganisiert, im Vorfeld mit den Betrof-
fenen spricht, ihre gesundheitliche
Situation und ihre Erwartungen ab-
klopft. „Das erste Telefonat mit Frau
Triebe war für uns sehr erstaunlich.
Wir hatten zuerst den Eindruck, da
ist jemand, der gar nicht sterbens-
krank ist, sondern in der Blüte des
Lebens steht“, erinnert sich der ASB-
Mitarbeiter. „Beim ersten Treffen
wurde doch schnell klar: Frau Trie-
be ist eine Frau, die schwer krank ist,
aber ihr Leben meistert und sich ein-
fach nicht unterkriegen lässt.“ Bald
darauf begann Marco Roscher mit
den Vorbereitungen für ihren letz-
ten, möglichst perfekten Ausflug.
Die Idee „Wünschewagen“
wächst
Das Projekt Wünschewagen hat der
ASB Ruhr ins Leben gerufen. Seit
2014 bietet der Regionalverband
aus Nordrhein-Westfalen bereits die
Wunschfahrten an. Alter, Geschlecht
und Herkunft der Fahrgäste spielen
keine Rolle. Die Idee hat sich im ge-
samten Verband rasant verbreitet.
In diesem Winter fahren bereits in
acht Bundesländern die umgebau-
ten Krankentransporter ihre Passa-
giere zu einem Ziel ihrer Wahl. Und
das Projekt wächst stetig weiter. Für
den Fahrgast und eine Begleitper-
son sind die Touren kostenlos. Rund
2.700 Euro kostet ein solcher Ausflug
nach Berechnungen des ASB Bran-
denburg. Finanziert werden die Fahr-
ten ausschließlich über Spenden.
Die Krankenwagen sind so umge-
baut, dass die Fahrt für die Gäste so
bequem wie möglich abläuft: spezi-
elle Stoßdämpfer, eine Musikanlage
und angenehme Beleuchtung ver-
schönern die Reise. Zugleich ver-
fügen alle Wünschewagen über die
■
GESELLSCHAFT
DIE LETZTE REISE
Der ASB-Wünschewagen erfüllt Sehnsüchte am Lebensende