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ASB MAGAZIN

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„Ein Autist ist eine Persönlichkeit mit einem besonderen Talent und der Fähigkeit, die Welt anders wahrzunehmen als

wir“, sagt Steffen Kübler, Leiter der Jugend- und Behindertenhilfe beim ASB Heilbronn. Trotzdem – oder gerade des-

wegen – stehen Autisten im Alltag immer wieder vor schier unüberwindbaren Hürden. Der ASB begleitet Menschen

mit Autismus – wenn nötig, ein Leben lang. Und gibt ihnen die nötigen Hilfestellungen, um den Alltag zu meistern.

Markus Scheidle hält inne. Nur we-

nige Sekunden zuvor hatte sich sei-

ne Anspannung spontan gelöst, er

war von seinem Sitz im Büroraum ei-

ner Heilbronner Kita aufgesprungen,

hatte einen kurzen Schrei ausgesto-

ßen und dann viel, schnell und laut

geredet. Hatte Silben zusammenge-

fügt, die nicht zusammengehören,

und deren Sinn außer ihm niemand

verstehen konnte. Nun steht er vor

seiner Mutter und schaut sie mit wei-

ten Augen an. Der 30-Jährige atmet

schnell und schwer, sonst herrscht

Stille im Raum. Dann sagt Rosemarie

Scheidle völlig unaufgeregt: „Was ist

denn jetzt schon wieder los? Was für

ein Problem hast du?“ Ihr Sohn setzt

sich wieder hin. Langsam gewinnt er

seine Fassung zurück.

Dann erzählt er – nicht mit der Stim-

me, mehr als ein oder zwei zusam-

menhängende Worte spricht Scheidle

nie, sondern mithilfe eines Laptops.

Er hebt seine Hand und wartet dar-

auf, dass die Mutter seinen Unter-

arm stützt, bevor er mit gestrecktem

Zeigefinger beginnt, Buchstabe für

Buchstabe einzutippen. Was Scheid-

le schreibt, ist verschachtelt und ver-

klausuliert. Die Gedanken dahinter

aber sind klar und eindrücklich. „Ich

finde es wichtig, arbeiten zu gehen“,

schreibt er. „Ich bin doch erwach-

sen. Nur Kinder können in die Schu-

le. Leider bin ich nicht in der Lage,

mit Denken Geld zu verdienen. Aber

mit den Händen ist es auch okay. Es

gibt nicht viele, die mich nehmen

würden. Denn ich bin beeinträch-

tigt, das muss ich akzeptieren. Ich

benötige Unterstützung und hier be-

komme ich sie.“

Perspektiven bieten

Für den autistischen Mann ist es alles

andere als ein Kinderspiel, fremden

Menschen etwas von sich selbst preis-

zugeben. Sein Leben ist seit der Kind-

heit mit dem ASB eng verbunden. Seit

über 20 Jahren, von klein auf, betreu-

en ihn die Samariter aus Heilbronn.

In seiner Schulzeit haben sie ihn

begleitet, ihm nach dem Abitur ei-

nen Ausbildungsplatz in einem ASB-

Pflegeheim angeboten. Nun arbeitet

Scheidle als Hauswirtschafter in einer

Kindertagesstätte des ASB. „Ich fin-

de Kinder besser als im Altenheim“,

schreibt er. „Sie sind lebendiger. Alte

sind wenig spontan. Es ist, als ob sie

auf etwas warten. Es passt, dass ich

hierherkam. Ich bin jetzt selber sehr

viel lebendiger.“

„Unser vorrangiges Ziel neben Be-

ratung, Diagnostik und Therapie

ist die Inklusion von Menschen mit

Autismus in allen relevanten Aspek-

ten des Lebens – insbesondere, in-

dem wir ihnen nach der Schule eine

HILFEN FÜR MENSCHEN MIT BEHINDERUNG

„ICH BIN JETZT

VIEL LEBENDIGER“

In Heilbronn unterstützt der ASB autistische

Kinder, Jugendliche und Erwachsene