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Perspektive bieten“, erklärt Steffen

Kübler, der die offene Behinderten-

hilfe beim ASB Heilbronn-Franken

verantwortet. „Die Zeit nach dem

Schulabschluss ist das große Delta.

Denn ein Mensch bleibt auch nach

dem Schulabschluss autistisch und

eine Integration ist äußerst schwie-

rig.“ Daher hat der ASB gemeinsam

mit zwei weiteren Organisationen das

Autismus-Kompetenzzentrum„au56“

gegründet. Vom Kleinkind bis ins Er-

wachsenenalter gibt es dort Förder-

angebote.

Vorbereitung auf die

Arbeitswelt

Felix Ginnakou ist 22 Jahre alt und

täglich in der „au56“ zu finden.

Die Schule hat der junge Mann er-

folgreich abgeschlossen. Danach

eine Ausbildung zu finden, ist aber

schwierig. In vielen Betrieben ist es

für Azubis üblich, den Aufgabenbe-

reich und damit auch den Arbeits-

platz mehrfach zu wechseln. „Für

Autisten ist es die Hölle, sich immer

wieder neu auf etwas einzustellen.

Wir suchen mit den Ausbildungsbe-

trieben nach Möglichkeiten, den All-

tag am Arbeitsplatz besser zu struk-

turieren. Auf der einen Seite müs-

sen wir die Menschen fit machen für

die Gesellschaft. Aber andersherum

müssen wir auch die Gesellschaft

aufklären und sie dazu bringen, mit

autistischen Menschen besser umzu-

gehen“, sagt Kübler.

Die Mitarbeiter der „au56“ suchen

unermüdlich nach Arbeitgebern,

die bereit sind, autistische Men-

schen auszubilden oder zu beschäf-

tigen. Zeitgleich bereiten sie die Ju-

gendlichen auf die Berufstätigkeit

vor und begleiten sie durch die Aus-

bildung. Der Tagesablauf ist fest ge-

regelt: Montags ist Schulunterricht,

dienstags Logistiktag, mittwochs

stehen die Reinigung des Zentrums

und Sozialkompetenztraining auf

dem Stundenplan. Eine ganze Etage

des Zentrums ist der Berufsvorberei-

tung gewidmet. Im hinteren Bereich

stapeln sich Regale, allerhand Klei-

nigkeiten zum Verkauf finden sich

darin. Felix und die anderen jun-

gen Erwachsenen haben einen si-

mulierten Online-Shop eröffnet. So

üben sie, Waren zu sortieren, zu ver-

packen und zu versenden, Preise zu

berechnen und Bestellungen aufzu-

nehmen.

Emotionen besser

einschätzen lernen

Die konkrete Vorbereitung auf die

Arbeitsstelle ist aber nur ein Teil der

Hilfe, die die Jugendlichen hier er-

halten. Im Sozialkompetenztrai-

ning lernen die Besucher des Zen­

trums, die Emotionen anderer bes-

ser einzuschätzen und richtig darauf

zu reagieren. Anne-Carin Huber, die

als Ergotherapeutin für den ASB die

Trainings übernimmt, sitzt mit Felix

und drei weiteren Jungen zwischen

15 und 20 Jahren um einen Tisch

und spielt „Nicht ja, nicht nein“: Je-

der muss auf eine Reihe von Fragen

antworten, ohne dabei die Worte

„ja“ oder „nein“ zu verwenden. Fe-

lix liest seinem Sitznachbarn die Fra-

gen vor: „Kochst du gerne? Kannst

du Kuchen backen? Dieses Wochen-

ende?“ Der 15-jährige Robin, an den

die Fragen gerichtet sind, gerät sicht-

lich ins Straucheln. Nach jeder Fra-

ge macht er eine kurze Pause, um sei-

ne Antwort gut zu durchdenken und

bloß nicht aus einem Impuls heraus

einen Fehler zu begehen. Tadellos

beantwortet er aber schließlich alle

Fragen.

Neben spielerischen Übungen gibt es

immer auch einen theoretischen Teil

in den Trainings. Themen sind dann

etwa Nervosität oder Selbstzweifel:

Warum hadern die Menschen mit

sich selbst und wie können sie damit

umgehen? Bei den Jüngeren geht es

oft um Respekt, darum, mit Mobbin-

gerfahrungen und dem Gefühl, aus-

geschlossen zu werden, besser zu-

rechtzukommen. Die Zielsetzungen

für das Training sind dabei so unter-

schiedlich wie die Ausprägungen des

Autismus selbst: „Manche Teilneh-

mer müssen erst lernen, was zum

ASB MAGAZIN

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Steffen Kübler (46) setzt sich für Perspekti-

ven von Menschen mit Autismus ein.

Spielerisch lernen die jungen Menschen, Emotionen besser zu verstehen und darauf zu reagieren.