ASB Magazin:
Der Oldentruper Hof
ist seit dem 1. August 2015 eine Un-
terkunft des ASB für Flüchtlinge.
Seitdem sind auch Sie für den ASB
dabei. Welche Entwicklungen stel-
len Sie fest?
Esther Klaer:
Als Zentrale Unter-
bringungseinrichtung (ZUE) ist der
Oldentruper Hof eigentlich eine
Übergangsstation. Da nur wenige
Wohnungen verfügbar sind, müs-
sen die Menschen aber inzwischen
mehrere Monate bleiben. Das führt
auch schonmal zu Konflikten unter
den Gästen. Es gibt Tage, da kommt
jeder mit einem anderen Problem
auf mich zu. Da ich selbst als Kind
mit meinen Eltern aus Syrien nach
Deutschland geflohen bin, kann
ich die Menschen in ihrer Sprache
verstehen und bei Schwierigkeiten
gut vermitteln.
ASB Magazin:
Welche Vorausset-
zungen müssen Sie noch mitbrin-
gen?
Esther Klaer:
Ich bin zwar ausge-
bildete Sozialpädagogin – meiner
Meinung nach ist das Studium aber
zweitrangig. Man braucht Men-
schenverstand und Herz, ein offe-
nes Weltbild. Ich muss neutral sein,
sowohl gegenüber Religionen als
auch Kulturen, und die Menschen
so respektieren, wie sie sind.
ASB Magazin:
Welche Hindernisse
erleben Sie bei Ihrer Arbeit?
Esther Klaer:
Viele der neuen Ge-
setze für Flüchtlinge sind proble-
matisch. Es ist zum Beispiel nicht
nachvollziehbar, dass Gäste aus
unserer Unterkunft nicht bei Ver-
wandten in der Nähe übernachten
dürfen. Wir müssen eine tägliche
Belegungsliste erstellen und sind
verpflichtet, zu melden, wenn je-
mand mal nicht da ist. Eine weite-
re Regelung besagt, dass der Betrieb
der ZUE zukünftig europaweit aus-
geschrieben werden muss. Ab 2017
kann es also sein, dass der Olden-
truper Hof gar nicht mehr vom ASB
betrieben wird.
ASB Magazin:
Was spricht den-
noch für diesen Arbeitsplatz?
Esther Klaer:
Wir sind ein tolles
Team! Bei uns geht es sehr familiär
und freundschaftlich zu. Was mir
auch gefällt: Die Bezirksregierung
muss Kosten sparen und effizient
arbeiten. Wir als Betreiber hinge-
gen können uns für die Flüchtlinge
einsetzen und versuchen, das Beste
für sie zu erreichen.
ASB Magazin:
Wenn Sie später ein-
mal an die Zeit im Oldentruper Hof
zurückdenken: Was bleibt in Erin-
nerung?
Esther Klaer:
Ich erinnere mich gut
daran, wie wir das Hotel übernom-
men und umgebaut haben und wie
die ersten Flüchtlinge kamen – wie
schlimm es war, als die Ersten wie-
der gegangen sind. Es waren aber
auch so viele krank, gerade unter
den Ersten, die hier angekommen
sind. Die Not dieser Menschen wer-
de ich nicht vergessen.
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Interview: Verena Bongartz
Foto: ADH/Christoph Mohr
Interview
ASB MAGAZIN
2/16
15
Mit Menschenverstand
und Herz
Wie eine junge Frau mit viel Engagement
eine Flüchtlingseinrichtung führt
Esther Klaer (30) leitet den Oldentruper Hof in Bielefeld – ein ehemaliges
Hotel, das 500 Flüchtlingen als Unterkunft dient. Die gebürtige Syrerin
berichtet, wie sich ihre Arbeit und das Leben der Bewohner in den ver-
gangenen Monaten verändert haben.
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INTERVIEW