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treut. Dabei gibt es eine enge Zusam-

menarbeit mit den Kommunen. Oft

informieren die Ordnungsämter den

ASB, wenn es Probleme gibt und Be-

troffene akut vor der Wohnungslo-

sigkeit stehen. Manchmal kommen

auch Vermieter auf die ASBler zu

oder die in Not Geratenen selbst. De-

ren Mietschulden entstehen durch

Arbeitslosigkeit, Scheidung oder

auch, weil der Arbeitgeber schlicht

den Lohn nicht mehr zahlt. „Wir ver-

treten Menschen aus allen Schich-

ten – bis hin zu solchen, die selbst

jahrelang ein gutes Gewerbe hatten

und dann pleite gegangen sind“, er-

zählt Retzlaff. Ihr Kollege ergänzt:

„Es gibt eigentlich genügend Ein-

richtungen für hilfsbedürftige Men-

schen. Oft wissen die aber nicht, wo-

hin mit ihren Problemen. Dann sta-

peln sich die Vorfälle bis es knallt.

Und der letzte Knall ist dann meist

die Zwangsräumung.“

Zur Aufgabe machen sich die bei-

den alles, was im weiteren Sinn mit

der Wohnsituation von Menschen

in Notlagen zu tun hat. Sie vereinba-

ren mit den Vermietern oder Strom-

anbietern Ratenzahlungen ihrer Kli-

enten – meist in Höhe von lediglich

20 oder 30 Euro im Monat – helfen

bei der Beantragung von Kindergeld

oder Hartz 4. Wenn die Finanzen si-

chergestellt sind, dann steigt auch

die Chance, dass die Betroffenen in

ihren Wohnungen bleiben können.

„Wir haben ein Dach

über dem Kopf“

Jeden Morgen spaziert Frank nach

dem Aufstehen eine Tür weiter. Dort

wohnt sein Nachbar und Freund

Bernd. Seit einigen Jahren leben

die beiden zusammen in der Woh-

nungsnotfallhilfe für obdachlo-

se Menschen, teilen alles miteinan-

der und verkürzen sich mit freund-

schaftlichen Sticheleien den sonst

recht eintönigen Tag. Beide sind aus

ihren alten Wohnungen herausge-

räumt worden, weil sie keine Miete

mehr zahlen konnten. Bernd wohnt

bereits seit mehr als 20 Jahren in

Notunterkünften des ASB.

Weil er im Zuge der Wende arbeits-

los wurde, war auch die Wohnung

nicht mehr zu bezahlen. „Ich hätte

gerne wieder Arbeit, aber mit 61 Jah-

ren wird das wohl nichts mehr“, sagt

der gelernte Maurer. „Mit meinem

Geld komme ich aber klar“, fügt er

hinzu. „Wenn etwas schwierig ist,

Briefe kommen oder so, dann ma-

che ich das mit Herrn Brix. Zusam-

men kriegen wir das geregelt“. Ein

Dach über dem Kopf zu haben und

einen Ansprechpartner bei Proble-

men, das sind Grundpfeiler im Le-

ben der beiden. „Ich bin nicht ob-

dachlos“, betont Frank, der es sich

auf der Fensterbank des Nachbarn

mit einem Kaffee bequem gemacht

hat. „Ich muss nicht unter einer Brü-

cke schlafen. Eine eigene Wohnung

ist sicher etwas anderes, aber ich bin

zufrieden.“

Unterstützung oft über Jahre

Wie es mit den Menschen weiter-

geht, die Jürgen Brix und Regina

Retzlaff in ihren schweren Momen-

ten begleiten, ist unterschiedlich.

„Bei manchem müssen wir über Jah-

re ständig dranbleiben, bei anderen

wird das nach und nach weniger. Die

Tiefpunkte der Arbeit, da sind sich

beide einig, kommen, wenn man

eine verwahrloste Wohnung betritt

und gleich weiß: Hier wartet ein Fall

voller Probleme. Umgekehrt sind es

die größten Erfolge, wenn jemand

nach zwei oder drei Jahren wieder in

der Lage ist, alleine zu wohnen.

„Wenn jemand vom Alkohol runter-

kommt und die Schulden langsam

abbaut, dann haben wir unsere Sa-

che gut gemacht“, weiß Brix. „Häu-

fig sehe ich meine ‚Sorgenkinder‘

nach Jahren auf der Straße wieder.

Dann grüßen sie mich und erzählen

mir stolz, wo sie jetzt wohnen“.

.

Text: Verena Bongartz

Fotos: ASB/Hannibal

ASB MAGAZIN

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„Jürgen Brix ist wie ein strenger Kumpel. Er haut öfter mal auf den Tisch, wenn etwas nicht

läuft, aber das muss auch sein. Er ist in Ordnung“, sagt Bewohner Frank (re.) über den ASB-

Mitarbeiter.