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ASB MAGAZIN

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So kommt es, dass Roland Vogl häu-

fig am Steuer seines Lancia Voyager

sitzt und durch die Fuggerstadt

braust. Wobei, „am Steuer“ trifft es

nicht ganz, denn statt eines Steuers

hat der 56-Jährige eine Art Joystick in

der Hand. Drückt er den Stick nach

vorne, gibt das Auto Gas, drückt er

ihn nach hinten, setzt die Brem-

se ein. Der Druck nach rechts oder

links lenkt den Van in die jeweilige

Richtung. Blinker, Hupe und Schei-

benwischer aktiviert Vogl durch die

Kopfstütze. Der Lancia ist voll auf

die Bedürfnisse des Augsburgers um-

gebaut – denn Roland Vogl ist selbst

schwerbehindert.

Roland Vogl war 35 Jahre alt, als er

nach einer Viruserkrankung im Rü-

ckenmark querschnittsgelähmt wur-

de. Zuvor hatte er als Bademeister

und Masseur gearbeitet, nun muss-

te er sich umorientieren. Vogl nahm

ein Studium zum Sozialarbeiter auf –

mit dem Ziel, später einmal anderen

Menschen helfen zu können, denen

Ähnliches widerfahren ist.

Als Betroffener der beste

Experte

Das Ziel hat Roland Vogl erreicht:

Beim ASB Augsburg ist er einer von

drei Mitarbeitern im Bereich „Peer

Counseling“. Die Grundlagen des

Peer Counseling gehen auf Pionie-

re der Selbstbestimmt-Leben-Bewe-

gung in den 1960er Jahren in den

USA zurück. Getragen von dem Ge-

danken, dass jeder Betroffene für sich

der größte Experte ist, werden Men-

schen mit Behinderung von anderen

Menschen mit Behinderung beraten.

„Ich begegne Betroffenen auf Augen-

höhe“, sagt Roland Vogl. „Dadurch

habe ich einen ganz anderen Zugang

als nicht behinderte Menschen.

Mein Ziel ist es, Menschen dazu zu

bringen, Alltagsprobleme trotz ihres

Handicaps selber lösen zu können.“

Es gehe darum, neue Perspektiven

zu vermitteln und das Selbstbewusst-

sein zu stärken – zum Beispiel beim

Umgang mit Kostenträgern und Be-

hörden. Wichtige Themen seien zu-

dem Mobilität, Barrierefreiheit und

Eingliederungshilfe.

Beratung auf

Augenhöhe

Roland Vogl berät Menschen mit Behinderung

Roland Vogl vom ASB Augsburg hat das Glück, als Angestellter nicht nur

im Büro sitzen zu müssen. Häufig besucht er seine Kunden auch zu Hause,

allesamt Menschen mit Behinderung, denen Vogl Wege aufzeigt, wie sie trotz

des Handicaps am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.

PORTRÄT

Seit seiner Umschulung berät Roland Vogl

als Sozialarbeiter andere Menschen mit

Schwerbehinderung und stärkt sie für die

alltäglichen Herausforderungen.

Unterstützung macht es

möglich

Dennoch bleiben Lebenssituationen,

bei denen man als Mensch mit Be-

hinderung auf die Unterstützung an-

derer angewiesen ist. Auch das weiß

Roland Vogl selbst nur zu gut. Da-

her ist er beim ASB Augsburg nicht

nur Angestellter, sondern gleichzei-

tig auch Klient. Im Rahmen der In-

dividuellen Schwerbehindertenassis-

tenz kümmert sich ein achtköpfiges

Helferteam um Vogl. Sie helfen bei

der Körperpflege ebenso wie bei klei-

nen Handreichungen, unterstützen

im Haushalt und begleiten ihn zu

Veranstaltungen. Insgesamt beschäf-

tigt der ASB Augsburg 150 Assistenz-

kräfte, die sich um 46 Klienten küm-

mern.

„Natürlich ist auch dann ein Assis-

tent an meiner Seite, wenn ich die

Beratungsgespräche führe“, sagt Ro-

land Vogl. „Ich kann nun mal nicht

selbst einen Aktenordner aus dem

Schrank holen, Notizen erstellen,

kopieren oder abheften.“ Und auch

im Urlaub sind Helfer mit dabei. Die

gemeinsamen Reisen gingen schon

bis nach Thailand und Kamerun.

Nur beim Autofahren lässt sich Ro-

land Vogl nicht helfen. „Das würde

auch nur zu Unfällen führen“, lacht

er. „Denn als sich einmal einer mei-

ner Assistenten am Joystick in mei-

nem Auto ausprobiert hat, ist er

schier verzweifelt. Den Umgang da-

mit lernt man nicht mal eben so.“

.

Text: Moritz Wohlrab/ASB Bayern

Fotos: ASB/Timm Schamberger