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GESELLSCHAFT

als wir in die Straße einfuhren. Da

standen 15 Menschen, alles hing

voller Luftballons. Die Familie hat

den Vater gemeinsam aus der Woh-

nung geholt. Das war ein berühren-

der Moment: Er war schon sehr, sehr

krank und bewegte sich sehr lang-

sam. Trotzdem sahen wir das Leuch-

ten in seinen Augen, weil er wusste:

Es geht jetzt los!“, erzählt sie.

Marco Roscher hat die Wunschfahrt

für Familie Triebe penibel durchge-

plant. Heute soll es keineWartezeiten

geben, keine Unsicherheiten, was als

nächstes ansteht. Zunächst fährt die

Gruppe in das Hotel, in dem Joachim

und Rosie früher oft übernachtet ha-

ben. Sie wollen sich von den Mitar-

beitern, die über die Jahre zu Freun-

den geworden sind, verabschieden.

Auch für die freiwilligen Helfer sind

diese Momente bewegend. „Im Ver-

lauf der Planung lernt man die Fahr-

gäste immer besser kennen. Mitt-

lerweile bin ich persönlich berührt,

das bleibt leider nicht aus“, gesteht

Marco Roscher, der die Wunschfahrt

gemeinsammit der 19-jährigen Jessi-

ca Fröhner begleitet.

Bei den Fahrten, die Stella Waider

in Berlin begleitet hat, gab es vie-

le Momente, in denen sie schlucken

musste. Deswegen ist es so wich-

tig, dass alle Freiwilligen ihren Kol-

legen völlig vertrauen können und

vor ihnen auch Emotionen zeigen

dürfen. „Beim Rettungsdienst darf

ich das nicht. Es hilft nichts, wenn

beim Herzinfarkt eine Träne rollt,

da muss ich einfach funktionieren.

Beim Wünschewagen ist das völlig

anders. Da haben wir schon alle ge-

meinsam geweint und das muss ein-

fach gehen.“

Mittlerweile hat die Rettungsassis-

tentin ein Medizinstudium aufge-

nommen und ist dafür von Berlin

nach Baden-Württemberg gezogen.

Glücklicherweise gibt es auch hier

seit September einen Wünschewa-

gen, denn dem Projekt will sie unbe-

dingt treu bleiben. „Ich habe direkt

zum Starttermin in Mannheim an-

gerufen und mich als Freiwillige ge-

meldet. Denn diese Arbeit vermisse

ich schon jetzt. Man hat einfach die

Möglichkeit, Menschen noch ein-

mal den allerletzten Traum zu erfül-

len und das mache ich wirklich von

Herzen gerne“, betont sie.

Den perfekten Tag verleben

Spätestens als sich Familie Triebe am

frühen Nachmittag am Strand auf

Decken niederlässt, fällt sämtliche

Aufregung ab. Die Sonne strahlt auf

die Ostsee herab, die hellen Sand-

körner sind angenehm warm. Nach

einer Weile wagt Rosie Triebe ei-

nige vorsichtige Schritte ins Meer.

An der Hand ihres Sohnes steigt sie

in die Wellen und benetzt sich dort

mit dem kühlen Wasser. Sie genießt

die Augenblicke, doch die Fahrt hat

sie auch sehr viel Kraft gekostet, so-

dass sich die 77-Jährige bald auf den

Sand legt und eine Weile die Augen

schließt, um denWellen zu lauschen.

Erst der Wünschewagen

macht es möglich

Ohne die Hilfe des Wünschewagen-

Teams hätte sie diese Momente nicht

mehr erleben können, denn eine

mehrstündige Fahrt im Privatwa-

gen wäre für sie zu anstrengend und

riskant gewesen. Mittlerweile kann

sie zu Fuß nur noch ein paar Schrit-

te zurücklegen. Sonst ist sie auf den

Rollstuhl angewiesen. „Krebs ist eine

schlimme Krankheit, die einen aber

auch lehrt, zu leben“. Auf ihrer Beer-

digung soll es fröhlich zugehen: „Es

ist schon alles festgehalten. Als letz-

tes spielen sie ‚New York, New York‘.

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ASB MAGAZIN

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Gemeinsam mit Ehemann Joachim

schwelgt die 77-Jährige noch einmal in

Erinnerungen.

Die Mitarbeiter des Ferienhotels freuen sich, ihre langjährige Kundin und Freundin noch

einmal bei sich zu haben.