Previous Page  4 / 32 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 4 / 32 Next Page
Page Background

4

ASB MAGAZIN

2/16

Inklusion wird gerne für Bildung, Freizeit und Kultur ge-

fordert. Aber ist sie auch für Menschen mit schweren kör-

perlichen und geistigen Behinderungen in der Arbeitswelt

möglich? Die Tagesförderstätte des ASB Bremen zeigt,

dass es geht. Und vor allem: Es ist ein großer Gewinn für

die Besucher und die Mitarbeiter der Einrichtung.

Selten sieht man so freudige Ge-

sichter bei Menschen auf dem Weg

zur Arbeit. Anand Bodhi* reckt tri-

umphierend beide Daumen hoch,

Simone Stein* strahlt, als hätte sie

heute Geburtstag, und auch Julia

Delmenhorst* freut sich. „Am liebs-

ten arbeite ich. Ich brauche die Ab-

wechslung”, erklärt die junge Frau.

Die drei fahren mit dem Bus der

Linie 37 durch den Bremer Stadtteil

Osterholz. Begleitet werden sie von

Martina Küstner und Lara Monczka,

ihren Betreuerinnen der Tagesförder-

stätte des ASB Bremen, einer Einrich-

tung für Menschen mit schwersten

Behinderungen. Am Markt steigt die

kleine Gruppe aus und gelangt nach

ein paar Schritten zu einem großen

Fahrradladen. In dessen Werkstatt

schraubt ein Mitarbeiter gerade an

einem defekten Rad und winkt zur

Begrüßung. Aber das reicht Simone

Stein nicht. Die 23-Jährige möch-

te das Begrüßungsritual. „Komm“,

fordert sie den Mitarbeiter auf. Der

lacht, verlässt sein Rad, reicht Simo-

ne Stein die Hand und klopft ihr auf

die Schulter: „Mensch, Simone, du

bist unser bestes Pferd im Stall.“ Da-

nach meint er kollegial an alle ge-

wandt: „Ihr wisst ja, wo es langgeht.“

Wie ausgewechselt

Die Gruppe erreicht den Hinterhof,

wo heute viel Arbeit auf sie wartet.

Zehn große Fahrradkartons müssen

entsorgt werden. Da die fünf jede

Woche im Fahrradladen helfen, sind

die Abläufe eingespielt: Julia Del-

menhorst schließt den Altpapier-

container auf, Heilerzieherin Lara

Monczka verteilt die Teppichmesser

an Delmenhorst und ihre Kollegin.

Dann werden die Fahrradkartons

zerschnitten und mithilfe aller in

den Container geschoben. Die Grup-

pe arbeitet eine Stunde lang sehr

konzentriert. Die Arbeit ist anstren-

gend und alle kommen ins Schwit-

zen. Umso größer ist die Freude, als

auch das letzte Stückchen Altpapier

im Container verschwunden ist.

„Juhu“, ruft Stein und schließt den

Container ab.

Die beiden Betreuerinnen staunen

immer wieder, wie ausgewechselt die

Besucher der Tagesförderstätte au-

ßerhalb der Einrichtung sind. „Si-

mone ist hier zum Beispiel zufrieden

und trotz ihrer Lernschwierigkeiten

sehr konzentriert bei der Sache. In

der Tagesförderstätte hingegen lang-

weilt sie sich schnell und ärgert dann

die anderen Besucher oder versteckt

Gegenstände“, berichtet Martina

Küstner. Der 21-jährigen Julia Del-

menhorst, die das Asperger-Syndrom

hat, tut die Arbeit ebenfalls gut, da

sie ihre vielen Fähigkeiten einsetzen

kann. Gefordert ist auch Anand Bon-

dhi. Der 22-Jährige bewegt sich nicht

gerne; hier aber muss er immer wie-

der mitanpacken.

Im Laden gibt es noch eine kleine

Aufgabe zu erledigen: Adressetiketten

sollen auf Fahrradkataloge geklebt

werden. Inhaber Hans-Peter Jakst ge-

sellt sich zur Gruppe und hilft Simo-

ne Stein, die eine so feinmotorische

Arbeit nicht alleine schafft und die

Aufkleber schräg klebt. Der ehema-

lige Rad-Profi und Deutsche Meister

im Straßenrennen kooperiert gerne

HILFE FÜR MENSCHEN MIT BEHINDERUNG

*Namen von der Redaktion geändert.

Bei der Arbeit

Menschen mit schwerer Behinderung

nehmen am Arbeitsleben teil

Mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt die

Gruppe zu ihrem Arbeitsplatz: V. l. n .r.

Julia Delmenhorst, Simone Stein und

Betreuerin Lara Monczka.