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HILFEN FÜR MENSCHEN MIT BEHINDERUNG
Beispiel Small Talk ist, müssen üben,
sich in eine Unterhaltung einzubrin-
gen. Andere reden und reden. Sie ler-
nen zu erkennen, wann sie aufhören
sollten“, erklärt die Therapeutin.
Hier steckt eine der großen Schwie-
rigkeiten beim Phänomen Autis-
mus: „Es gibt keine Schublade, kein
Patentrezept“, sagt Steffen Kübler.
„Jedes autistische Kind, jeder autis-
tische Erwachsene ist individuell.“
Während mit Markus Scheidle, dem
Kitamitarbeiter, gar keine direkte
Kommunikation möglich ist, spricht
Felix sehr gewählt, drückt sich aus,
wie andere vielleicht einen Brief
schreiben würden.
Durch die Schulzeit begleiten
Jugend-, Sozial- und Schulämter re-
agieren auf die unterschiedlichen
Bedürfnisse von Autisten oft un
flexibel. Dies zeigt sich an der viel-
fältigen Bedarfsermittung, etwa für
einen Schulbegleiter, der im Unter-
richt hilft oder beim Sozialtraining,
das von Kommune zu Kommune
sehr unterschiedlich bewilligt wird.
Das Recht auf eine bedarfsgerech-
te Unterstützung müssen Eltern au-
tistischer Kinder in manchen Kom-
munen erst einklagen. Den Familien
beizustehen, um für die Betroffenen
die bestmögliche Betreuung zu er-
halten, gehört ebenfalls zu den Auf-
gaben von Steffen Kübler und sei-
nem Team. „Bis die Teilhabe von
Kindern mit Behinderung selbstver-
ständlich wird, dauert es mindestens
noch eine Generation“, prophezeit
er. „Das Umdenken findet erst statt,
wenn alle Kinder von klein auf zu-
sammenleben.“
Um das Zusammenleben in der Re-
gelschule zu ermöglichen, stellt der
ASB Schulbegleiter ein, die mit den
Kindern gemeinsam am Unterricht
teilnehmen. Aktuell fördert der Ver-
band in Heilbronn und Umgebung
etwa 70 Schulbegleitungen. „In ei-
ner einfachen Anweisung des Leh-
rers, man solle Hefte und das Buch
herausholen, stecken für Autisten
komplexe Handlungsabläufe“, er-
klärt Kübler. „Wo ist meine Schul-
tasche? Welches Heft und welches
Buch muss ich herausnehmen? Wo
lege ich es auf meinen Tisch, welche
Seite schlage ich auf und auf wel-
che Seite schreibe ich mit welchem
Stift?“ Die Schulbegleiter vom ASB
helfen den Kindern, sich im Unter-
richt besser zurechtzufinden. Sie die-
nen als Dolmetscher für Nonverba-
les und Unausgesprochenes. Indem
sie aus den Aussagen des Lehrers kla-
re Anweisungen für die Autisten for-
mulieren, ermöglichen sie diesen,
die Anforderungen in der Schule
umzusetzen.
Achtsamer sein
Markus Scheidle hat die Schule zwar
schon lange verlassen, ein Assistent
hilft aber auch ihm, die Arbeit in der
Kita zu schaffen: morgens das Früh-
stück abräumen, den Speiseraum
saubermachen, die Spülmaschine
einräumen. „Ich kann meine Arbeit.
Ich bin aber noch mit einem Assis-
tenten. Ich nehme ihn zur Sicher-
heit. Er sagt mir, ich muss weiter-
machen. Leider gelingt es mir noch
immer nicht, ohne ihn weiterzu-
machen. Dann mache ich was in ei-
ner anderen Reihenfolge. Wenn ich
mich nicht an die Reihenfolge hal-
te, ist es nicht nützlich, was ich tue.“
All das schreibt der 30-Jährige in sei-
ne Tastatur. Und dann noch, um zu
erklären, was er sich von den Men-
schen um ihn herum erhofft: „Es ist
nicht so: Weil wir nicht reden kön-
nen, können wir nichts sagen. Es ist,
dass die anderen nicht verstehen.
Wenn die Leute langsamer werden,
können sie sich einlassen und acht-
samer sein.“
.
Text: Verena Bongartz
Fotos: ASB/B. Bechtloff
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ASB MAGAZIN
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„Je früher eine sogenannte Autismus-Spek
trum-Störung diagnostiziert wird, desto
einfacher ist es, Verhaltensweisen neu zu
trainieren“, sagt Anne-Carin Huber.
„Ohne ihn kostet es Mühe. Mit seiner Hilfe
gelingt es mir“, schreibt Markus Scheidle
(links) über seinen Assistenten, der ihm bei
der Arbeit eine wertvolle Stütze ist.