

Der 15-jährige Kazem kommt aus der
Schule. Er begrüßt freundlich Gabrie-
le Engelhardt in der Küche, um dann
in seinem Zimmer zu verschwin-
den und mit Freunden per Handy
zu chatten. Ein scheinbar ganz nor-
maler Familienalltag – doch der Ein-
druck täuscht. Kazem und sein älte-
rer Bruder Mehmet wohnen erst seit
sechs Tagen bei Familie Engelhardt
in der Region von Falkensee. Die bei-
den Brüder sind ohne ihre Eltern vor
dem Terror und den täglichen Luft-
angriffen aus der Stadt Rakka, der
IS-Hochburg im Norden Syriens, ge-
flohen. Seit Dezember 2015 leben sie
in Deutschland. Bis zum Abschluss
des sogenannten Clearingverfahrens,
bei dem das Jugendamt die Flucht-
und Familiengeschichte, Alter, Ge-
sundheits- und Bildungsstand fest-
stellt, wohnten die Jungen im Kin-
derheim des ASB in Falkensee. Bei
den Engelhardts haben sie nun ein
neues Zuhause gefunden.
Halt geben
Gabriele Engelhardt und ihr Ehemann
freuen sich, den Jungen Halt und indi-
viduelle Unterstützung geben zu kön-
nen. „Angesichts der schlimmen Bil-
der aus Syrien fühlten wir uns so hilf-
los. Wir wollten Flüchtlingen helfen,
wussten aber nicht wie“, erzählt die
Familientherapeutin. Beim Berliner
Jugendamt bot sich das Ehepaar ver-
geblich als Pflegefamilie für Flücht-
lingskinder an. Eine Bekannte wies
sie darauf hin, dass der ASB in Falken-
see Gastfamilien sucht. „Nach eini-
gen Gesprächen mit Herrn Hoffmey-
er-Zlotnik vom ASB ging es dann sehr
schnell, und jetzt haben wir wieder
Teenager im Haus“, berichtet die Mut-
ter von vier erwachsenen Kindern, die
längst außer Haus leben.
Falkensee nimmt „umF” auf
Ulf Hoffmeyer-Zlotnik sitzt in sei-
nem vollgestellten Büro. Hinter dem
Schreibtisch türmen sich gespendete
Spielsachen. „ZumAufräumen haben
wir keine Zeit“, entschuldigt sich der
Geschäftsführer des ASB in Falken-
see. Zu den bisherigen Aufgaben des
Familien- und Jugendhilfezentrums
ist seit Sommer 2015 die Betreu-
ung von unbegleiteten minderjähri-
gen Flüchtlingen, in der Fachsprache
umF abgekürzt, dazugekommen, und
zwar auf Wunsch des ASB. „Wir ha-
ben dem Havelländer Jugendamt an-
geboten, junge Flüchtlinge in unse-
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FLÜCHTLINGSHILFE
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ASB MAGAZIN
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Rund 59.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind
nach Angaben von Familienministerin Schwesig 2015
nach Deutschland gekommen. Sie brauchen besonderen
Schutz und dürfen nicht in Massenunterkünften leben.
Doch die Kommunen sind mit der Unterbringung von
so vielen jungen Flüchtlingen in den Einrichtungen der
Jugendhilfe überfordert. Der ASB in Falkensee hat eine
Lösung gefunden: Betreutes Wohnen in Gastfamilien.
Gastfamilien
für Flüchtlinge
Innovatives Projekt des ASB in Falkensee
Spielerisch die deutsche Sprache und Alltagskultur kennenlernen: Das Leben in einer Gastfami-
lie, wie hier bei Familie Engelhardt, fördert die Integration der jungen Flüchtlinge.