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Heute ist die Patientin in der Obhut

des ASB Heilbronn. Der Regional-

verband betreibt eine Station spezi-

ell für Wachkomapatienten. Derzeit

sind hier 16 Menschen zu Hause. Sie

leben in Körpern, die ihnen nicht

mehr gehorchen wollen. Manchmal

gelingt nicht mehr als ein Blinzeln.

Ob und was die Menschen von ihrer

Umwelt wahrnehmen, können ihre

Familien und die Pfleger nur erah-

nen. Die früher gängige Annahme,

dass Wachkomapatienten nicht bei

Bewusstsein sind, ist mittlerweile wi-

derlegt. Man geht davon aus, dass die

meisten Betroffenen vieles von dem

mitbekommen, was um sie herum

passiert.

Schmerzlinderung ist

Therapieziel

Auch Anneliese Betzner, die in war-

me Decken gehüllt in einem Roll-

stuhl in ihrem Patientenzimmer

sitzt, scheint völlig regungslos. Aus

den Augenwinkeln beobachtet sie

aber den Ergotherapeuten Philipp

Stiller, der nun ihr Zimmer betritt.

Während Stiller behutsam seine

Hand in die verkrampft zur Faust ge-

ballten Finger seiner Patientin legt,

um die Muskelspannung vorsichtig

zu lockern, erzählt er von seiner Ar-

beit. „Anders als bei anderen muss

ich bei Menschen im Wachkoma

die Ziele für die Therapie alleine set-

zen. Ich muss herausfinden, was ih-

nen guttut und was nicht. Dafür be-

obachte ich genau: Reagiert der Pati-

ent, verzieht er das Gesicht, verfärbt

es sich oder entspannt ihn das, was

ich mache?“

Wer lange unbeweglich im Bett liegt,

verliert dieWahrnehmung für seinen

Körper. Das führt zu Verkrampfun-

gen und starken Schmerzen, gegen

die die pflegebedürftigen Menschen

selbst nichts ausrichten können. Das

Schlimmste sei deshalb, die Leute in

Ruhe zu lassen, findet Stiller. Jeder

Reiz sei positiv.

„Ich arbeite oft viele Jahre lang ohne

erkennbaren Fortschritt. Wenn dann

eine Verbesserung eintritt, ist das

für mich ein Riesenerfolg. Aber ich

musste auch lernen, es als Erfolg zu

verbuchen, wenn sich der Zustand

eines Patienten über längere Zeit

nicht verschlechtert“, erklärt Stiller,

während er die Hand von Anneliese

Betzner sanft massiert.

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ASB MAGAZIN

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PFLEGE

Drei Jahre blieben Anneliese Betzner noch bis zur Rente. Endlich wollte sie

ein Stück Freiheit genießen, nach vielen arbeitsreichen Jahren. Und nach-

dem sie ihren Ehemann lange mit ganzer Kraft gepflegt hatte und schließlich

verlor. Dann, am 21. Dezember 2015, kam alles anders: In ihrem Kopf platzte

eine Ader. Und vom einstigen Leben der tatkräftigen 60-Jährigen blieb nur

noch ein Hauch zurück.

Ein Ort voller

Lichtblicke

Der ASB betreut Menschen im Wachkoma

Ergotherapeut Philipp Stiller lockert

die Muskeln von Anneliese Betzner, um

Schmerzen vorzubeugen.